Flüchtlingselend auch in Libyen
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Von den Flüchtlingen, die in diesen Wochen aus Syrien in die Nachbarländer strömen, ist in den Medien viel die Rede. An diesem Montag zum Beispiel: Da hat die türkische Regierung vorübergehend ihre Grenze für Syrien-Flüchtlinge geschlossen, bis sie neue Camps zu ihrer Aufnahme aus dem Boden gestampft hat. Etwa 7.000 Flüchtlinge waren am Montagmorgen an zwei Grenzübergangen zur Türkei blockert; insgesamt solleen sich auf türkischem Staatsgebiet derzeit 80.000 Syrien-Flüchtlinge aufhalten. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu erklärt, mehr als 100.000 solcher Flüchtlinge könne sein Land unmöglich aufnehmen. Er schlägt die Einrichtung einer UNO-kontrollierten Pufferzone auf syrischem Gebiet vor.
Die syrische Flüchtlingskatastrophe stellt ähnliche Bilder in der Nachbarschaft in den Schatten. Auch in Libyen zum Beispiel gibt es ein Flüchtlingsdrama: Nach wie vor versuchen Afrikaner von hier aus nach Europa überzusetzen. Ihre Lage ist auch im Libyen nach Gaddafi äußerst hart; in den letzten Tagen wurden im Auffanglager Hums östlich von Tripolis mindestens drei Asylbewerber von Sicherheitsleuten barbarisch umgebracht. Das sagt der Priester Musie Zerai, Leiter einer NGO für Flüchtlinge namens „Habeshia“.
„Es gibt drei schwangere Frauen in dem Lager, eine von ihnen im achten Monat. Aber die Frauen allgemein bekommen dort nicht die geringste ärztliche Hilfe, auch keine Hilfe anderer Art, stattdessen werden sie oft misshandelt. Die Flüchtlinge sind völlig verzweifelt, einige haben versucht zu fliehen. Die Sicherheitsleute haben sich einen jungen Mann geschnappt, haben behauptet, dass er versucht habe zu fliehen, haben ihn durchgeprügelt und schließlich erschossen. Daraus ist ein starker Tumult entstanden; die Frauen, die bei der Tötung zugeschaut haben, fingen an zu schreien: Warum passiert das alles?“
Mindestens drei Asylbewerber seien im Lager Hums bis jetzt getötet worden, dazu vor kurzem ein Junge aus Somalia, sagt Musie Zerai.
„Dabei sind das alles Asylbewerber. Viele von ihnen sind sogar schon vom Flüchtlings-Hochkommissariat der UNO als Flüchtlinge anerkannt worden, als sie zuvor im Sudan in Aufnahmelagern waren! Wir wissen allerdings, dass auch der Sudan für Flüchtlinge kein sicherer Boden ist; dort werden täglich drei oder vier Flüchtlinge aus den Lagern von Menschenhändlern verschleppt und in den Sinai verkauft... Seit zwei Jahren weisen wir darauf hin, dass im Sinai Menschen- und Organhandel betrieben wird; um nicht in diese Gefahr zu geraten, flüchten viele nun aus den Lagern im Sudan ausgerechnet nach Libyen! Und hier machen sich die Militärs manchmal einen Spass daraus, auf diese Menschen zu zielen, sie nutzen sie als Zielscheibe für Schießübungen. Auch in Bengasi kommt das vor, das wissen wir aus Aussagen von Jungen, Minderjährigen, die dort in Lagern festgehalten werden.“
Zerai versucht sich durch Gespräche mit Flüchtlingen ein genaues Bild von der Lage in den Camps zu machen:
„Nach dem, was ich aus dem Camp von Bengasi höre, gibt es dort ständige sexuelle Gewalt gegen Frauen, und etwa 150 Menschen sind von dort verschleppt worden. Es hieß, man bringe sie zu Arbeitseinsätzen, aber dann werden sie zu Sklaven gemacht im Dienst für Bewaffnete, von denen man gar nicht weiß, wer das genau ist und welche Befugnis sie über die Menschen in den Lagern haben. Das sind alles Formen von Folter, die jedem Menschenrecht Hohn sprechen.“
Dabei hatten eigentlich viele Menschenrechtler gehofft, dass es nach dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi im letzten Jahr besser würde für die afrikanischen Flüchtlinge in Libyen. Aber dieser Traum ist ausgeträumt:
„Vor allem für Menschen aus dem Afrika unterhalb der Sahara hat sich die Lage stattdessen verschlechtert. Ein Land wie Italien, das mit Libyen einen bilateralen Vertrag zum Thema Einwanderung geschlossen hat, sollte genauer beobachten, was da passiert: wie die Flüchtlinge in Lager gesteckt werden und wie man sie da behandelt. Keiner fragt da nach, und Libyen fühlt sich völlig frei, diese Menschen zu behandeln, als wären sie Tiere. Man tötet diese Menschen, als wären sie Mücken, und keiner zieht Libyen deswegen zur Rechenschaft! Stattdessen wollen alle nur Geschäfte machen mit dem neuen Libyen. Das geht nicht! Europa müsste da mal die Initiative ergreifen und Libyen zum Respekt der internationalen Konventionen drängen, die Asylbewerber und Flüchtlinge schützen.“
Europa hat aus der Sicht des Flüchtlingsseelsorgers eine besondere Verantwortung, allein schon wegen seiner geografischen Nähe zu Libyen.
„Es hat mit Libyen eine Reihe von Handelsverträgen, tut aber nichts, um den Respekt vor den Rechten dieser Leute einzufordern. Man bräuchte vor allem eine dauerhafte, tragfähige Lösung, um zu verhindern, dass diese Menschen in den Händen der Menschenhändler landen!“
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